Felix Bredschneijder: Haushaltsrede im Stadtrat

18. Dezember 2015

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

Meine Fraktion hat mir für dieses Jahr die ehrenwerte Aufgabe übertragen, die Haushaltsrede halten zu dürfen. Eine große Aufgabe und große Verantwortung. Um Peinlichkeiten zu vermeiden, habe ich mich deshalb nach Hilfestellung umgesehen. Und wurde im Internet fündig. Es lässt sich dort die Seite “Haushaltsreden-Konfigurator.org“ finden. Ein sehr hilfreiches Werkzeug. In der dort vorgesehenen Eingabemaske trägt man den Eckdaten Beschluss, den zu besprechenden Haushaltsplan und die mittelfristige Finanzplanung ein. Über einen weiteren Wählschalter wird sodann nach dem grundlegenden Tonfall der Rede gefragt: staatstragend, mahnend, latent beleidigt, empört beleidigt oder nörgelig quenglig. Nach Eingabe meiner Fraktionszugehörigkeit beschränkte sich die Auswahl automatisch auf staatstragend oder mahnend.

Die Zuordnung der übrigen Möglichkeiten zu den übrigen Fraktionen darf ich Ihnen selbst überlassen...

Nach einem Klick auf den Button „absenden“ wurden mir dann zu verwertende Textbausteine für die Rede zum Haushalt 2016 zur Verfügung gestellt. Unbedingt zu verwenden sei die Formulierung „auf Kante genäht“, „alternativlos“ sowie schließlich „auf Sicht fahren“. Zudem könnten je nach gewähltem Tonfall noch in beliebiger Frequenz „ vernünftig“ und „nachhaltig“ eingestreut werden. An wenigstens vier verschiedenen Stellen wurde das mahnende Erheben des Zeigefingers angeraten. Zu beschließen sei die Rede mit der Wendung „unter Hintanstellung erheblicher Bedenken“.

Ein sehr nützliches Tool. Wenn man jedoch als fünfter eine Rede zum gleichen Thema wie die Vorredner halten soll, empfiehlt sich der Rückgriff auf Blaupausen nur, wenn man den gesunden Sitzungsschlaf der Kollegen nicht unterbrechen möchte.

Vor allem aber: der Rückgriff auf Allgemeinplätze verbietet sich bei genauer Betrachtung des nun vorliegenden Zahlenwerks. Es ist ein Haushalt für den zweiten, eigentlich sogar dritten und vierten Blick. Um ihn ehrlich bewerten zu können, ist der Blick auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu richten..

Vergangenheit:

Es bleibt festzustellen: die Einnahmesituation der Stadt ist exzellent. Ja, wir geben Geld aus. Viel Geld. Aber: wir nehmen auch viel ein, insbesondere Gewerbesteuer. Und diese Einnahmeposition ist kein mit Konjunkturzunder betriebenes Strohfeuer, sondern entstammt einer nachhaltigen Basis. Diese Basis ist die Folge einer klugen und sehr weitsichtigen Gewerbeansiedlungspolitik, die Oberbürgermeister, Stadträte und Verwaltung vergangener Perioden betrieben haben. Das wird heute gerne übersehen. Es ist aber die Basis aller heute zu besprechenden Dinge.

Gegenwart:

Was ist das nun, dieser Haushalt 2016? Eines ganz sicher nicht: ein Sparhaushalt. Eher im Gegenteil: wir geben das Geld mit vollen Händen aus. Mittelschule, Obdachlosenunterkunft. Und seit letzter Woche – Gott sei Dank – auch ein veritabler Betrag, der flexibel im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus eingesetzt werden kann und werden wird. Wir schaffen all das, ohne neue Kredite aufzunehmen. Gleichzeitig soll es gelingen, eine riesige Bugwelle von Haushaltsresten abzuarbeiten. Herr Huber hat uns zu dem Programm, dass der Hochbau zu bewältigen hat die Machbarkeit zugesagt. Und, Herr Huber, nicht immer hat in der jüngsten Vergangenheit ein“ wir schaffen das“ für Begeisterung gesorgt doch wenn es von ihnen kommt, ist es eine glaubhafte Freude.

Alles andere als ein Sparhaushalt also. Ist es denn dann ein Krisenhaushalt? Schlagwort: alternativlos? Auf den ersten Blick könnte man das meinen. Doch auf den zweiten: ein klares Nein. Weder eine Finanz- noch sonstige Krise hat der Kämmerei den Stift geführt. Der Neubau einer Mittelschule, die für mehrere Generationen junger Landsberger errichtet wird und zudem ein Anlaufpunkt für ein ganzes Stadtteil sein kann, ist kein Krisenprojekt. Auch nicht der Neubau einer Obdachlosenunterkunft. Diese ist zur Beherbergung von Obdachlosen und kurzfristig in Not geratenen Menschen in unserer Stadt erforderlich. Zur dauerhaften Unterbringung von etwa Flüchtlingen ist sie wieder tauglich noch vorgesehen. Und Geld für den sozialen Wohnungsbau geben wir nicht aus, weil Flüchtlinge kommen. Das hat zwar den politischen Druck erhöht, was durchaus hilfreich war. Mehr bezahlbaren und geförderten Wohnraum brauchten wir aber schon vorher für Landsbergerinnen und Landsberger, die unsere Unterstützung benötigen. Und jetzt brauchen wir ihn erst recht.

Natürlich ist es politische Realität, dass es heute Gegenstimmen geben würde für den Bau der Mittelschule mit dem Verweis auf andere Prioritäten. Und natürlich haben wir auch bei Erstellung dieses Haushaltsplans immer wieder mit einem sehnsüchtigen Auge auf diese Beträge geschielt. Aber ganz klar: wir stehen dazu. Es wäre nicht richtig, einen kurzfristig getriebenen Krisenhaushalt aufzustellen. Wir bauen mit jedem neuen Haushaltsplan einen neuen Stein für das Fundament, auf dem unsere Stadt die nächsten Jahrzehnte stehen soll. Wir sind kein Unternehmen, dass bei kurzfristigen Schwankungen des Aktienkurses in Unruhe verfällt. Auch bei etwas stürmischerem Wetter müssen wir den Blick nach vorne und das Ruder gerade halten.

Der Haushalt 2016 ist einer für Landsbergerinnen und Landsberger. Schon hier lohnt der zweite Blick. Er taugt weder für Derivatritter noch für Flüchtlingskrisenbeschwörer.

Zukunft:

Aber lassen Sie mich noch einen weiteren Blick, den in die Zukunft werfen.

In diesem Haushalt finden sich auch Zukunftsinvestitionen, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. So wie die Schaffung zweier neuer Stellen im Bauamt. Einmal, um bei den anstehenden Projekten (wie der Entwicklung der Pflugfabrik) gut aufgestellt zu sein. Zum anderen aber auch, um schon rechtzeitig neue Kräfte fit zu machen für den altersbedingten Weggang verdienter Leistungsträger.

Dennoch, wir haben es gehört, zum Ende des Jahres 2016 werden wir nach Plan alles Geld ausgegeben haben. Nicht weniger als die gesamte Liquidität. Zwar auch nicht mehr, also keine neuen Schulden, aber eben auch nicht weniger.

Das wird, völlig klar, im kommenden Jahr unser Dogma. Alles, jeder Bleistift, den wir außerhalb des Plans benötigen, wird nach dem heutigen Stand der Planung über Kredite finanziert werden müssen. Projekte wie ein Radweg die neue Bergstraße aufwärts für über eine halbe Million Euro – No way.

Das verlangt von uns allen – Stadtrat wie Verwaltung – eine sehr aktive Bewirtschaftung des Plans. Auch hier wird der zweite Blick scharf sein müssen. Der Haushalt 2016 enthält Potenziale und Puffer, die sorgsam zu beobachten sind. Das gilt schon für die Haushaltsreste, die in der Festlegung naturgemäß etwas willkürlich sind, aber auch hier noch die – begrenzte – Möglichkeit politischer Einflussnahme offen lassen.

Mit der Umstellung auf die output-orientierte Budgetierung vollziehen wir überdies weiter einen kleinen Paradigmenwechsel. Mit dieser Umstellung geben wir viel Vertrauen an die Verwaltung.

Und bitten um Rückgabe – durch offene Zusammenarbeit mit dem Stadtrat im allgemeinen und, ja ja, dem Rechnungsprüfungsausschuss im besonderen. Ob aus dem Plan 2016 ein Erfolg in der Umsetzung wird, hängt hiervon entscheidend ab.

Es bleibt zum Schluss, Dank auszusprechen. Herr Jung, Sie haben sich bei uns für die gute und konstruktive Zusammenarbeit in den vergangenen Wochen bedankt. Dies darf ich mehr als zurückgeben. Ihre und Frau Fritzsches Arbeit hat durch transparente Zahlen und mit klugen Ratschlägen dazu geführt, dass wir in der Lage sind zweite und dritte Blicke auf den Haushalt und die nächsten Jahre zu werfen.

Einen Dank aber auch meinen Kollegen im Rat und im Finanzausschuss. Dessen letzte beiden Sitzungen haben mir noch mal deutlich gezeigt, was dieser Stadtrat kann. Sie waren beide geprägt von offener, lebhafter Diskussion, allseitiger Bereitschaft, auch mal außergewöhnliche Wege zu denken und – bei allen, dem Unterhaltungswert zuträglichen kleinen Spitzen – von absolutem Respekt vor der Person und der Meinung des jeweils anderen durchdrungen.

Meine Damen und Herren, wer Weitblick hat, für den ist auf Sicht fahren kein Problem.

Die Stadtratsfraktion der SPD Landsberg wird dem Haushalt 2016 zustimmen.

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