Als „alter Haudegen“ ist Dr. Rudolf Schöfberger aus seiner Jusozeit in München bekannt. Mit 78 ist er ein gefragter Festredner bei vielen 150-Jahrfeiern der SPD. Auch in Landsberg wurden seine Ausführungen mit viel Beifall bedacht. „Die Festrede wird feierlich – aber nicht gemütlich. Auch die Geschichte der SPD war nie gemütlich.“ Mit diesen Worten leitete er seinen Vortrag ein.
1863 gründete Ferdinand von Lassalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein und 1869 August Bebel die Sozialdemokratische Deutsche Arbeiterpartei. 1875 vereinigten sich die beiden zur Sozialdemokratischen Partei Deutschland. Kaum zu glauben, ein Adeliger und ein Handwerker waren die Väter der SPD.
Seit ihrer Gründung hat die SPD zwei Flügel: Die Lassalleaner und die Marxisten oder Bebelianer. Die ersteren nennen sich heute besonnene Sozialdemokraten, die anderen Sozialisten oder linke Sozis. Dies ist heute wegen der Partei „Die Linken“ eher ein Problem. Einer der bekanntesten Stellvertreter, Ottmar Schreiner, verstarb erst vor wenigen Wochen. Wozu zählt sich der „Rote Rudi“ heute, wie er lange Zeit in München auch genannt wurde? Seine Antwort: als Juso wollte ich die Welt verändern. Im Landtag, im Bundestag bastele ich teils vergeblich, teils sehr erfolgreich an Gesetzen herum. Im Kopf bin ich immer noch Juso. Mit Sitzfleisch, Rückgrat und Reiselust bin ich eher ein besonnener Sozialdemokrat geworden.
Wer lange genug in der SPD ist, erinnert sich auch an kleinere Fehler, die zuweilen von historischer Tragweite waren: So hat die Partei mehrmals ab 1914 Kriegskrediten zugestimmt. Mit den Stimmen der SPD wurde Hindenburg Reichspräsident. 1933 hat die Partei versäumt, gegen Hitler einen Generalstreik zu organisierten. Hartz VI war gut gemeint aber übertrieben. Notwendige Korrekturen unterblieben. Das Rentenalter mit 67 auszurufen, geht an der Realität vorbei. Auch wenn Fehler gemacht wurden, stand die SPD fast immer auf der richtigen Seite der Deutschen Geschichte. Sie hat niemals politischen Konkurs gemacht. Sie brauchte sich nie umzutaufen, um wiedergewählt zu werden, sagte Rudi Schöfberger.
Die Sozialdemokratie hat eine Vision, besser gesagt: sie ist eine Vision. Einem Satz von Helmut Schmidt „Wer eine Vision hat, sollte zum Arzt gehen“. hat Rudi Schöfberger in der Bundestagsfraktion heftig widersprochen. Wer keine Vision hat, bleibt im Wartesaal der Geschichte hocken, so Rudi Schöfberger und weiter: eine Vision ist etwas Schlechtes besser zu machen, menschenwürdiger, freiheitlicher, demokratischer, gerechter, sozialer, friedlicher und ökologischer. In einer SPD ohne Vision wäre ich kein Mitglied, bekennt er mit Vehemenz.
In der 150jährigen Geschichte konnte die SPD mit den Gewerkschaften eine Verringerung der Wochenarbeitszeit von 78 Stunden auf 40 Stunden erkämpfen. Kinderarbeit in den Flözen wurde abgeschafft. Von Nullurlaubstagen konnte sie bis zu 6 Wochen erkämpfen. Die Arbeitslosenversicherung wurde eingeführt. Bereits 1926 forderte die SPD die Einführung der Vereinigten Staaten von Europa. Der Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner geht nach dem 2. Weltkrieg als Vater der Bayerischen Verfassung in die Geschichte ein. Ein Großteil der Bayerischen Verfassung wurde ins Grundgesetz übernommen.
Zu unseren Hauptaufgaben zählt Rudi Schöfberger heute: weltweiten Hunger, Wassernot, Elend, Ausbeutung, Unterdrückung, Kinderarmut lindern und besiegen. Den Welthandel reformieren, Industrienationen müssen faire Preise für Produkte zahlen, die sie kaufen. Mehr und ein besseres Europa muss erreicht werden. Das Europaparlament muss ein vollwertiges Parlament werden. Wir brauchen europaweit gesetzliche Regelungen der Finanzmärkte und Banken nach dem Motto von Willi Brandt: Menschenwürde ist wichtiger als Börsenkurse. Eine lange Reihe kann ich noch anfügen: Kinderbetreuung, Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung sind Hauptaufgaben der Sozialdemokratie. Mindestlohn im Kampf gegen die Altersarmut ist unverzichtbar.
Mit Gesangsdarbietungen der Dachkammersänger verabschiedete sich Rudi Schöfberger mit den Worten „jeder Sozialdemokrat, der unter 100 stirbt, handelt parteischädigend“ und wünschte der SPD weitere 150 erfolgreiche Jahre.